Das passiert, wenn Ostern und Pessach auf einen Tag fallen!

Schalom und willkommen zurück!

Wie bereits im letzten Eintrag angekündigt, sind mein Zimmergenosse und ich für den Sederabend von der Physiotherapeutin meiner Station eingeladen worden. Dieser wurde am letzten Freitag gefeiert, also unserem Karfreitag, und es ist auch kein Zufall, dass Ostern und das mit dem Sederabend eingeleitete Pessachfest zeitlich so nah beisammen liegen. Doch dazu später mehr...
Die Familienfeier, zu welcher ca. zwanzig Leute erscheinen sollten, fand in Newe Jarak statt, einem kleinen Ort in 9 km Entfernung. Natürlich hatte ich vorgeschlagen, dass wir selbst mit dem Fahrrad zu der Feier fahren könnten. Sie bestand allerdings darauf, dass wir abgeholt werden , "es könnte spät werden". Im Voraus habe ich mich auch mit einer israelischen Freiwilligen aus dem Löwenstein über diese Feier unterhalten und bereits erfahren, dass der Sederabend bei jeder Familie unterschiedlich lange dauert, bei ihrer Familie aber traditionell bis ein oder zwei Uhr in der Nacht dauert. "Halte nachmittags noch ein Nickerchen", meinte sie, "und sei nicht zu hungrig, vermutlich werdet ihr spät mit dem Essen anfangen!" Grob gliedert sich der Abend in drei Teile: Lesung aus der Haggada (auch dazu gleich mehr), das Mahl und Gesänge danach. Mit diesen nützlichen Tipps und dem Vorwissen startete ich also gut vorbereitet in den Abend.
Doch was wird am Sederabend bzw. an Pessach überhaupt gefeiert?
Nun, an Pessach feiern Juden den Auszug aus der ägyptischen Sklaverei. Der Sederabend leitet dieses Fest ein und ist voller Traditionen und fester Riten (daher auch der Name: "Seder" heißt auf Hebräisch "Ordnung"). Diese Ordnung wird weitestgehend von der Haggada vorgeschrieben, einem kleinen, oftmals bebilderten Buch, das auf dem Platz eines jeden Teilnehmers liegt. Es enthält neben konkreten Handlungsanweisungen, wie zum Beispiel sein Weinglas zu heben oder bei der Nennung der zehn Plagen je einen Tropfen Wein mit den Fingern zu verschütten, Verse aus dem 2. Buch Mose ("Exodus" oder hebr. "Schemot") und diverse Gesänge. Auf dem Tisch befindet sich außerdem der sog. "Sederteller", ein runder Teller mit sechs Mulden, in denen sich symbolische Speisen befinden, und ein dem Propheten Eliah bestimmter Kelch Wein.
Das Pessachfest erstreckt sich über einen Zeitraum von einer Woche, und in dieser Woche ist es verboten, gesäuertes Brot zu essen. Auch dies hat einem im Auszug aus Ägypten liegenden Grund: Bei dem eiligen Aufbruch war es dem Volk Israel aus Zeitgründen nicht mehr möglich, das Brot zu säuern. Aus den religiösen und traditionsbewussten Haushalten wird aus diesem Grund vor Pessach jegliches Brot, Mehl und auch andere Teigwaren wie Nudeln etc. verbannt und das Haus auf das Gründlichste gereinigt. Doch nicht nur in privaten Haushalten, nein, auch in unserem Löwenstein findet diese Reinigung statt, und es ist Patienten wie Mitarbeitern durch ein großes Transparent am Eingangstor verboten, Gesäuertes ("Chametz") mit auf das Krankenhausgelände zu bringen. Doch das ist noch nicht alles: Erstens wird für dieses Fest ein eigenes Besteck verwendet, oder wie im Krankenhaus Einweggeschirr, zweitens müssen alle Nahrungsmittel neben der üblichen Kaschrut (dem Koscher-Stempel, "kascher bassari" für fleischige, "kascher chalawi" für milchige und "kascher parwe" für neutrale Lebensmittel, siehe auch in diesem Eintrag) den Sonderstempel "kascher lePessach" tragen, welcher den unbedenklichen Verzehr garantiert. Das führt so weit, dass auch die kleinen Salz- und Pfeffertütchen für diese eine Woche gegen "Spezialtütchen" ausgetauscht werden, außerdem gibt es auch für Pessach geeigneten Kaffee. Dinge also, die per se eigentlich in der Produktion nicht mit Brot in Berührung kommen - selbst die israelische Freiwillige, von der weiter oben schonmal die Rede war und meinem Eindruck nach recht religiös ist, meinte, dass mit einigen Produkten einfach nur Geld gemacht wird. Brot ist allerdings nicht komplett verboten, es dürfen nur sog. "Matzen" verzehrt werden. Eine Matze ist ein dünnes Fladenbrot aus Mehl, Wasser, Salz und ohne jegliche Triebmittel, bei dessen Herstellung zwischen erstem Kontakt des Mehls mit Wasser und dem Ende des Backvorgangs nicht mehr als 18 Minuten vergehen dürfen.

eine Matze

Über die Matzen gehen die Meinungen stark auseinander, entweder du magst sie, oder du hasst sie; ich persönlich finde sie ganz lecker und fühle mich an die italienischen Grissini erinnert - kleine Brotstangen, die zum Essen gereicht werden. Es kann aber auch gut sein, dass mir diese "Kräcker" nach einer Zeit auf den Keks gehen würden, wenn ich mich wirklich die ganze Zeit ausschließlich davon ernähren müsste. Zum Glück haben wir aber genug Brot und Mehl zu Hause gelagert, sodass wir uns nicht "überfressen" können.

abgehängte Supermarktregale

Doch zurück zu dem Sederabend: Nachdem wir von der Tochter der Physiotherapeutin abgeholt wurden, sind wir mit ihr zu dem Haus ihres Schwagers gefahren. Dies war der Ort der Feier, und als alle eingetroffen waren (teilweise aus der Synagoge), wurden uns Kippot geliehen und die Feier konnte losgehen.
Zunächst wurde gelesen: Reihum durfte jeder der Anwesenden einen Vers vorlesen - eine schöne Tradition! Auf diese Weise kann jeder mitmachen und die Geschichte wird nicht nur von einer Person erzählt. Zwischendurch wird von dem Jüngsten traditionell ein bestimmtes Lied ("Ma nischtana") gesungen, in dem er fragt, was diesen Abend von allen unterscheidet. Da der Jüngste in unserer Runde noch nicht lesen konnte, haben alle zusammen gesungen. Nach einigen weiteren Liedern und Auszügen aus der Geschichte gab es schließlich die erste Matze, die mit einem süßen Aufstrich aus Datteln gereicht wurden. Und dann deckte sich das Tischlein mit lauter feinen Speisen: Es begann mit einer Suppe mit Klößen aus Matzebrot. Außerdem "gefilte Fisch", eine traditionelle jüdische Speise, bei der Fischhack mit Gewürzen und Zucker vermengt, in Form gebracht und gekocht wird. Das leicht süße Gericht wird dann erkaltet gegessen. Es ist nicht jedermanns Sache, wurde mir gesagt, aber mir hat es sehr gut geschmeckt! Danach gab es Braten, Hühnchen, Kartoffeln und jede Menge Salate... Man hat es wirklich gut gemeint mit uns! Zum Nachtisch wurde "Kompott" angeboten, also eingelegte Früchte und nooch Schokoladenkuchen, von dem ich aber beim besten Willen nichts mehr essen konnte. Nach dem Essen haben die Kinder sich zurückgezogen und gespielt, die Erwachsenen "mussten" aber noch fertig singen. Vor allem der Großvater bestand darauf, wenigstens noch das letzte obligatorische Lied zu singen und stimmte an. Nach einiger Zeit wurde jedoch einer seiner Söhne immer schneller und lauter, man hat eindeutig gemerkt, dass ihm das alles zu lange gedauert hat und er die Sache jetzt mal ein bisschen beschleunigen wollte...
Dann neigte sich der Abend auch schon seinem Ende zu, es ging auf elf Uhr zu - es hat zwar nicht so lange gedauert, wie mir im Vorhinein angedroht wurde, aber immerhin!

Und so rutscht man dann von dem einen Feiertag direkt in den nächsten: Schließlich war am Tag des Sederabends Karfreitag und gestern Ostersonntag. Wie Weihnachten geht auch Ostern in Israel relativ unbemerkt vorbei, wenn man nicht gerade in Jerusalem wohnt oder sich etwa freiwillig mit tausenden anderen durch die Via Dolorosa schieben möchte. Aus diesem Grund gab es gestern nach der Arbeit noch einen Hefekranz (natürlich selbstgebacken, Pessach dauert eine Woche lang) und statt Ostereiern ein Überraschungsei - natürlich koscher für Pessach!


Ostern und Pessach sind übrigens nicht ohne Grund zeitlich nah beieinander: Das letzte Abendmahl Jesu' mit seinen Jüngern fand während des Pessachfestes statt. Daher sind Pessach und Ostern in den romanischen Sprachen auch etymologisch miteinander verwandt (lat. pascha, frz. Pâques, ital. Pasqua). In den germanischen Sprachen ist diese Verbindung verlorengegangen. Die genaue Herkunft des deutschen Begriffs "Ostern" und des englischen "Easter" ist nicht eindeutig, vermutlich leitet sich das Wort über die Himmelsrichtung "Osten" entweder von der Morgenröte/Sonnenaufgang oder den nach Osten gerichteten Täuflingen ab.

Wo auch immer ihr gerade seid, ich wünsche euch eine gute Woche, wenn ihr Ferien habt, schöne Ferien, und passt auf euch auf!

Bis bald,

euer Johannes

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