Januar ist dieses Jahr im August

Hallo alle zusammen!

Viele von euch haben es bereits mitbekommen: Ich bin wieder zurück in Deutschland. Nach einer Woche voller schöner Wiedersehen finde ich heute die Zeit, um euch endlich wieder zu schreiben und auch langsam aber sicher diesen Blog zu einem guten Ende zu führen.
Was ist inzwischen passiert? Nun, nachdem während der letzten Wochen sich ein Freiwilliger nach dem anderen verabschiedet hatte und auch unser Apartment schnell sehr viel leerer wurde, ist auch mein Abschied stetig näher gerückt. Es war ein anderer Abschied als vor einem Jahr in Deutschland, denn nun ist wirklich etwas zu Ende gegangen. Ich durfte viele wirklich tolle Menschen kennenlernen, die mich sicherlich alle ein Stück weit geprägt haben und ausnahmslos ihren Teil zu dieser kurzen, aber sehr intensiven und wunderbaren Etappe meines Lebens beigetragen haben. Doch nicht nur Menschen, sondern auch Orte haben dieses Jahr mitgestaltet: Mein geteiltes 10m²-Zimmer; das Apartment mit seinen Eigenheiten; die Einsatzstelle und meine ausgezeichnete Physiotherapiestation; das nahe Meer, das mit seiner Wärme und den hohen Wellen begeistert hat...



Auch von meiner Lieblingsstadt Jerusalem habe ich mich mit lieber Begleitung an einem der letzten Wochenenden verabschiedet. Es ist doch allerhand, dass ich auch nach all den unzähligen Besuchen immer noch etwas Neues entdecken konnte: Am Freitagmorgen habe ich die Hurva-Synagoge besucht. Der Name "Hurva" bedeutet auf Hebräisch "Zerstörung" und zeugt so von ihrer langen Geschichte: 1721 und 1948 wurde sie bis auf die Grundmauern niedergebrannt und beide Male wieder rekonstruiert. Heute ist die Synagoge zwar nicht mehr die größte der Stadt, die hohe, lichtdurchflutete Kupelhalle ist aber auf jeden Fall einen Besuch wert.
Ich bin oft gefragt worden, ob ich nochmal nach Israel komme, und ich denke, ich kann diese Frage mit einem "Ja" beantworten. Keine Frage, dieses Jahr war eine einmalige Erfahrung, eine Urlaubs-Wiederentdeckungs-Reise wird sich aber bestimmt irgendwann einrichten lassen. So habe ich mich von den meisten nicht englisch "Goodbye" (Möge Gott mit dir sein), sondern hebräisch "Lehitra'ot" (Auf Wiedersehen) verabschiedet. Das fand ich deutlich schöner!



So war der Abflug da, und schönerweise wurde ich auch am Flughafen israelisch verabschiedet: Zur Aufnahme dieses Bildes hatte mein Flug nach Baden-Baden noch keine Verspätung und die ersten Passagiere (einschließlich mir) wurden per Bus pünktlich zum Flugzeug gebracht. In den Flieger durften wir jedoch noch nicht steigen und wurden nach 10 Minuten Wartezeit auch wieder zurück zum Terminal gebracht. Es habe wohl ein Problem bei der Betankung gegeben... Einen Slot später hatten wir schließlich eine volle Stunde Verspätung, aber gut Ding will ja bekanntlich Weile haben.
Diesen Spruch könnte ich auch als etwas bezeichnen, was ich aus Israel mit nach Hause genommen habe: eine gewisse Grundunaufgeregtheit und manchen Dingen nicht allzuviel Bedeutung zuzumessen. Viele Israelis sind mir diesbezüglich noch weit überlegen, manchmal führt das jedoch auch zu weit. Ich habe auch einige Male erlebt, wie Dinge oft und gerne aufgeschoben wurden, nach dem Motto "Erinner mich doch morgen nochmal daran" oder "Jaa, ich muss aber davor noch den und den anrufen". Das nimmt sehr viel Verbindlichkeit und ist auch sicher einer der Gründe, weshalb ich kaum für noch längere Zeit so arbeiten kann (will heißen: mit einer solchen Organisation).
Etwas anderes, was ich versuche, aus Israel mitzunehmen, ist ein bisschen mehr emotionale Ehrlichkeit. Wenn du in Israel wütend bist, dann zeigst du das, wenn du glücklich bist, dann zeigst du das auch. Ich würde sagen, dass man in Deutschland zumindest in der Öffentlichkeit immer sehr die Fassung bewahrt, um nicht sogar den Ausdruck "kühl" zu verwenden. Wenn du zeigst, was du fühlst, dann ist das vermutlich zumindest in einigen Situationen hilfreich.
Doch zurück zum Flug: Ich bin bei gemessen 40°C in Israel in den Flieger gestiegen und bei gefühlt 15°C und Regen in Deutschland ausgestiegen - soviel zum Thema "Klimaumgewöhnung". In Israel würde dieses Wetter eher zu den Wintermonaten passen, geauso wie die lange Kleidung, die ich wieder anziehen durfte. So erklärt sich auch eine Bedeutung des Titels - gebt es zu, ihr habt schon die ganze Zeit gerätselt! Die zweite Bedeutung ergibt sich, wenn man sich meine momentane Situation anschaut: Ich werde demnächst in Freiburg zu studieren beginnen und freue mich auf das Neue, Kommende schon ungemein. Wieder eine neue Stadt zu entdecken, nach all der körperlichen Arbeit auch wieder mit dem Kopf zu arbeiten - das ist nur anderthalb Monate von mir entfernt! Momentan schaue ich also zurück auf das, was war, und gleichzeitig nach vorn in die Zukunft. Nicht von ungefähr leitet sich unser Monat Januar von dem ebenso doppelgesichtigen römischen Gott Janus ab, dem Gott des Anfangs und des Endes.
Und in nicht allzu ferner Zukunft werde ich auch noch auf das Rückkehrerseminar des Roten Kreuzes fahren. Dieses wird zwar endgültig mein Freiwilligenjahr beenden, allerdings werde ich dort auch viele meiner Freunde wiedersehen!


In diesem Sinne bis demnächst,

euer Johannes

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