Seminar im Parlament

Schalom, ihr da draußen,

über einen Monat ist es nun schon her, dass ich euch von den neuesten Geschichten von mir aus Israel berichtet habe. Einiges ist in der Zwischenzeit passiert, ich habe das Land unter anderem zweimal verlassen, das ist aber alles nichts, was in diesen Blog gehört.
Mein Jahr in Israel nähert sich in großen Schritten seinem Ende, der Rückflug ist inzwischen ebenfalls schon gebucht und ich werde Mitte August wieder zurück in der deutschen Heimat sein. Mit gemischten Gefühlen schaue ich in die Zukunft: Ich habe das Glück, schon zu wissen, wie es weitergeht und freue micht selbstverständlich ungemein, wieder zurück bei meiner Familie und meinen Freunden sein zu können. Doch trotzdem habe ich in meiner Zeit auch hier viele Freunde gefunden, ein wirklich einmaliges Land kennengelernt, unvergessliche Momente erlebt und alles in allem eine prägende Zeit gehabt. Auch wenn ich mir sicher bin, noch einmal für mindestens einen Urlaub nach Israel zu fliegen, gilt es demnächst wieder Abschied zu nehmen - wieder einmal.
Das hat sich jetzt alles schon sehr nach einem endgültigen Resümee angehört und war eigentlich nicht meine Absicht, ich werde aber bald und zu einem geeigneten Zeitpunkt, vielleicht auch erst wieder in Deutschland, Fazit ziehen. Daran werde ich euch selbstverständlich auch teilhaben lassen!

Der eigentliche Grund dieses Eintrags ist diesmal keine Reise, zumindest nicht im eigentlichen Sinn: Ich durfte an vergangenem Donnerstag ein weiteres von meiner israelischen Freiwilligenorganisation organisiertes Seminar besuchen. Thema dieses Seminares war die Politik bzw. das politische System Israels. Wir trafen uns im israelischen Außenministerium in Jerusalem und hörten drei Vorträge von Mitarbeitern des Ministeriums: Zunächst legte uns eine Diplomatin ihre tägliche Arbeit nahe, erzählte uns von ihrer letzten Mission in Argentinien und generell von den Aufgaben eines Diplomaten. Anschließend entführte uns ein IT-Spezialist in die digitale Welt der Diplomatie und die Aufgaben des Außenministeriums im Netz, machte uns auf die Internetauftritte Israels in den verschiedensten sozialen Netzwerken aufmerksam und erklärte uns am Beispiel von Twitter, wie heutzutage Diskussionen über ein bestimmtes Thema im Internet geführt werden. Für Leute, die mit der Thematik vertraut sind, mag sich der Mehrwert dieses Vortrags in Grenzen gehalten haben, für einen überzeugten Facebook-, Twitter- und Instagram-Nicht-User wie mich war es jedoch sehr interessant zu sehen, wie man verucht, möglichst viele Menschen zu erreichen, Diskussionen zu starten und Feedbacks zu bekommen. Eine wolkenähnliche Grafik ist mir gut in Erinnerung geblieben: Auf dieser sah man schematisch, wo sich Diskutanten politisch bezüglich der Operation "Protective Edge" von 2014 einordnen lassen. ("Protective Edge" war die letzte große israelische Offensive im Gazastreifen.) Man sah auf der Grafik eine proisralische, eine propalästinensische und eine "westliche Presse"-Teilwolke, wobei die Presse näher bei der propalästinensischen Seite stand und die Diskussionen hauptsächlich innerhalb dieser Teilwolken geführt wurden, weniger zwischen den beiden Lagern. Eigentlich schade, denn eine Diskussion lebt doch eigentlich von kontroversen Meinungen... Doch soziale Netzwerke zielen hauptsächlich darauf ab, dir zu zeigen, was du sehen willst, Facebook sogar noch mehr als Twitter.
Nach einem ordentlichen Mittagessen hörten wir dann unseren dritten und letzten Vortrag. Der Redner referierte über die Bedeutung des Films als politisches Medium, die Förderung israelischer Filme durch den Staat und die internationale Bedeutung des israelischen Filmes. Abgerundet wurde der Vortrag durch den Kurzfilm "An average story", der mich jedoch stark an den deutschen Film "König von Deutschland" mit Olli Dittrich erinnerte.
Fotos durften im Außenministerium leider nicht gemacht werden, dafür jedoch an dem nächsten Ort, den wir besuchten: die Knesset, das israelische Parlament.


"Knesset" heißt auf Hebräisch "Versammlung" und spielt auf die "Knesset haGdola", die "Große Versammlung", an. Diese war der jüdische Rat in Jerusalem zur Zeit des Zweiten (also herodianischen) Tempels und hatte 120 Mitglieder. Diese Mitgliederanzahl wurde als Symbol vom Parlament übernommen, heute werden 120 Knessetabgeordnete für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt. Nicht zu verwechseln ist der Begriff "Knesset" übrigens mit "Beit Knesset", dem hebräischen Wort für Synagoge.
Ein wichtiges Element der israelischen Gesetzgebung sind zwölf permanente und je nach Bedarf temporäre, themenspezifische Ausschüsse, die in Sälen wie auf dem Bild unten tagen. An dem runden Tisch sitzen auf der einen Seite die Mitglieder des Ausschusses, deren Plätze unter den Parteien proportional zur Sitzverteilung aufgeteilt werden, und auf der anderen Seite Experten, deren Meinung gerne zur Erarbeitung eingeholt wird. Aus Angst vor einem Gewissenskonflikt dürfen Minister nicht als Parlamentarier teilnehmen, wohl aber als Experten eine Meinung abgeben. Die Minister müssen übrigens, anders als in Deutschland, bis zu einem bestimmten Prozentsatz keine Abgeordneten sein.


Ein Gesetz wird in einem solchen Ausschuss erarbeitet, muss anschließend ein erstes Mal durch das Parlament, um sicherzustellen, dass genügend Interesse an dem Thema besteht, wird anschließend noch einmal vom Ausschuss überarbeitet und dann ein zweites und unmittelbar danach ein drittes Mal der Knesset zur Verabschiedung vorgelegt.


Dies geschieht in dem oben abgebildeten Plenarsaal. Die Tische sind in Form einer Menorah angeordnet. In der linken Bildhälfte sieht man das einzige Porträit des Saales: Es zeigt Theodor Herzl, Zionist und geistigen Vater Israels, der mit dem Buch "Der Judenstaat" (1896) den gedanklichen Grundstein Israels legte.

Zum Schluss will ich noch auf den Chagall-Saal eingehen: In diesem befinden sich unter anderem ein riesiges Teppich-Triptychon, welches von der Pariser Gobelin-Manufaktur nach Entwürfen von Marc Chagall gewebt wurde. Es zeigt viele Szenen aus der historischen und modernen jüdischen Geschichte, doch seht selbst:


Ein wirklich beeindruckendes Werk, auf das von unserer sonst wirklich ausgezeichneten Touristenführerin leider gar nicht eingegangen wurde. Außerdem befindet sich in dem Saal noch die Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948 mit allen Unterzeichnern, allen voran David Ben-Gurion. Eine kleine Randnotiz: Die Politiker haben ein Blanko-Dokument unterzeichnet, auf welches erst später der Text geschrieben wurde...



Ursprünglich war als Abschluss noch ein Gespräch mit einem Knesset-Mitglied geplant. Dies war schließlich nicht mehr möglich, da sich das Land im Wahlkampf befindet und es in dieser Zeit Abgeordneten verboten ist, in der Knesset (zumindest ausländischen Gruppen?) Vorträge zu halten. Schade, aber Gesetz ist nun mal Gesetz.

So endete das Seminar, und auch von mir war es das zumindest vorerst wieder. Der nächste Beitrag wird nicht so lange auf sich warten lassen wie dieser, in diesem Sinne:

Viele Grüße aus Israel

von eurem Johannes

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