Kennenlernen des Beit Löwenstein II

Hallo allerseits,

in den letzten Tagen ging es mit der Eingewöhnung im Löwenstein weiter, und ich will euch das Geschehene nicht vorenthalten:
Am Montag trafen wir um 10 Uhr auf einen weiteren für uns wichtigen Mitarbeiter: Er ist der Chef unserer Station und erstellt somit die Dienstpläne. Auch sonst hilft er uns, sich in der Einrichtung zurechtzufinden, und so starteten wir eine erste kleine Tour durch das Beit Löwenstein. Therapie- und Bettenstationen, Wäscheautomat, Aufzugsysteme: Alles Orte, die wir im kommenden Jahr wohl öfters frequentieren werden. Es gab auch Orte, die ich hier nicht unbedingt vermutet hätte, wie zum Beispiel einen Therapiegarten. Welch schöner Anblick, ein grünes Atrium inmitten eines Krankenhauses! Außerdem ein modernes Schwimmbad (Wassertemperatur 35°C) für die Hydrotherapie und einen Gymnastikraum. Wir besuchten ebenfalls die Kinderstation, an die ein lichtdurchflutetes Patio als Spielplatz angrenzt. Im Löwenstein werden Menschen mit diversen Krankheiten behandelt: Kopf- und Rückenmarksverletzungen, Knochenbrüche etc. Für jedes Krankheitsbild gibt es ein spezifisches Department; auf der Kinderstation werden aber alle Kinder zwischen 2 und 18 Jahren betreut, ganz gleich aus welchem Grund.
Wir fuhren in den achten Stock des Hauptgebäudes, von welchem wir einen herrlichen Blick von einem Panoramafenster genossen. Die Sicht reicht bis zum Meer im Westen und zum Azrieli Tower im Süden, der die Spitze der Tel Aviver Skyline bildet.
Und nach einem wieder sehr guten Mittagessen war es das dann auch schon, alles weitere sollte am Montag folgen!
An diesem Tag wurden wir vier Freiwillige auf drei verschiedene Stationen aufgeteilt: Ich bin fürs Erste mit dem österreichischen Freiwilligen auf der "Intensivstation" des Löwenstein eingeteilt. Diese ist natürlich keine Intensivstation im klassischen Sinne, da wir ja in einem Rehabilitationszentrum und nicht in einem Krankenhaus arbeiten. Von dort kommen jedoch alle Patienten meiner Station, diese ist erste Anlaufstation nach der Krankenhausbehandlung. Es ist die Station, auf der Menschen mit cerebralen [Hirn-] Schäden (Folgen eines Schlaganfalls, einer Anoxie [Nichtversorgung mit Sauerstoff] etc.) ihre Rehabilitation erhalten. Viele haben außerdem ein Tracheostoma [Atmungszugang über die Luftröhre nach Luftröhrenschnitt] und sind in dementsprechendem Zustand. Können meist nur atmen, wenn sie ankommen. Traurig, aber das ist die Wahrheit. Eine sehr bewegende Erfahrung; Jeder, der schonmal ähnliches gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Man wird sich schlagartig seiner eigenen, blendenden Gesundheit bewusst und viele "Probleme" erscheinen nichtig.
Einerseits tragisch, andererseits auch Hoffnung gebend: Die Patienten machen von Tag zu Tag Fortschritte, auch wenn es nur das Öffnen der Augen ist oder eine winzige Bewegung der Hand. "Le'at, le'at" (langsam, langsam) ist hier das Motto. Jeder Patient bekommt soviel Zeit, wie er für diese erste Anlaufstelle braucht, manche machen schneller Fortschritte, manche langsamer.
Und auch die Therapien sind sehr interessant: Neben Bewegungstherapien durch die Physiotherapeuten gibt es beipielsweise eine Liege, auf die die Patienten in der Horizontalen gelegt und dann in einem Winkel von 60° aufgerichtet werden. Uns wurde der Zweck erklärt, und wenn ich es richtig verstanden habe, wird das Gleichgewichtsorgan auf diese Weise langsam aber sicher an die aufrechte Haltung gewöhnt. Wie im letzten Satz angedeutet ist die Kommunikation zwischen Therapeuten und uns nicht ohne Verständigungsprobleme, nicht alle der Therapeuten sprechen Englisch und daher frage ich immer lieber noch einmal mehr nach. Sicherlich ein Punkt, den ich mir in Deutschland anders vorgestellt habe: Hier wird weniger Englisch gesprochen als erwartet. An dieser Stelle auch eine Entschuldigung für eventuelle medizinische Fachbegriffe, die ich verwende. Wen's interessiert und wem meine knappe Übersetzung nicht reicht, darf's nachschlagen :)
Übrigens, und an dieser Stelle ein Gruß nach Mecklenburg-Vorpommern, werden hier die Ideen von Mosche Feldenkrais in ihrer Vollendung umgesetzt; ich war begeistert, als ich die Übungen und Techniken wiederentdeckte, die ich im Vorbereitungsseminar kennenlernen durfte!
Als am Montag alle Patienten mit ihrer täglichen Therapie versorgt waren, übten der andere Freiwillige und ich unter Aufsicht eines Therapeuten an der oben beschriebenen Aufstell-Liege. Das Gelernte durften wir tatsächlich schon am nächsten Tag (Dienstag) an Patienten umsetzen; "Le'at, le'at" gilt also auch für die Aufgaben, die wir übernehmen dürfen, es wird langsam, aber sicher immer mehr! Danke für die Geduld und die vielen Erklärungen! (Auch wenn ich weiß, dass die Therapeuten das nicht lesen werden)
Heute Abend beginnt Jom Kippur, einer der höchsten jüdischen Feiertage, an denen gefastet und das Haus nicht verlassen wird. Daher hatten wir heute nur einen halben Arbeitstag und ich nun Gelegenheit, mal einen etwas längeren Post zu verfassen.

Ich wünsche euch allen nur das Beste!

Euer Johannes

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